2.6. Die Gabe der Unterscheidung: Das Geschenk, die Wahrheit erkennen zu können

 

 

Die Unterscheidung der Geister entscheidet sich in den praktischen, persönlichen Gebeten. Darin, wozu wir bei unseren inneren Trieben, Wahrnehmungen, Gefühlen und Sehnsüchten ja oder nein sagen. Nehmen wir ein Beispiel: Die Frage wurde gestellt, woher Jesus seine Macht nimmt. Er antwortete darauf: „Auch ich frage euch, antwortet! Woher kam die Lehre von Johannes, von Gott oder von den Menschen?“ Jesus als Gott fragt, ER, der selbst der Gesetzgeber ist, ER der keine Sünden hat, irrt nicht, ER, der alle Gesetze des Universums schuf. Sie müssten IHN sozusagen als Schöpfer des Universums erkennen. Die Anführer seines Volkes, die Schriftgelehrten müssten es am besten wissen. Johannes der Täufer erkannte, dass seine Berufung von IHM stammt und so bezeugt er den Erlöser. Hier müssten die Pharisäer und die Schriftgelehrten die Wahrheit des Täufers und des Erlösers erkennen und dazu stehen. Sie geben aber eine ausweichende Antwort. Den Moment der Entscheidung schieben sie auf.

 

 

Hier stellt sich heraus, dass sie eigentlich keine persönliche Beziehung zu Gott haben. Sie versuchen Jesus ins System ihrer Lehren einzuordnen, doch sie tun es nicht aus ihrem Herzen heraus, nicht aus innerer persönlicher Überzeugung. Deshalb lästern sie und bohren mit ihren Fragen nach. Zweifelsohne tragen sie seitens Rom, des Kaisers des Römischen Reiches und auch seitens Herodes eine schwere Last. Sie selbst erwarten den Messias, doch das tun sie mit eigenartigen Bedingungen, mit menschlichen Wünschen.

 

Jesus ist anders als sie. Sie sind empört, weil Jesus arm ist, mit den Sündern spricht, weil er von der Universalität der Barmherzigkeit und Nächstenliebe predigt und weil das erste Gebot von ganzem Herzen befolgt werden soll. Später nehmen sie Anstoß an Jesus´ Schrei der Verlassenheit am Kreuz, an der Kreuzigung, welche sie selbst organisiert haben. Die Anschuldigungen bei Jesus´ Verurteilung sprechen geradezu gegen die Gerechtigkeit, gegen das Gewissen und gegen ihre Berufung als Tempeldiener. Das Risiko, ihr Seelenheil zu verlieren ist groß.

 

Die Kriterien für die Annahme oder Ablehnung der Liebesflamme sind ähnlich. Die Erkenntnis der Liebesflamme kann mit einer Gnade einhergehen, ähnlich wie es bei Petrus‘ Glaubensbekenntnis geschehen ist: „Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes“ – sagt der Apostel. Jesus unterscheidet aber ganz offen: „Petrus, nicht Fleisch und Blut haben dir das offenbart, sondern mein Vater im Himmel.“ Es gibt also auch in unserem Alltag eine Gnadenerkennung.

 

Die Ablehnung der Liebesflamme können wir mit einer anderen Äußerung von Petrus vergleichen. Als Jesus seine baldigen Leiden ankündigt, protestiert Petrus: „Das soll Gott verhüten, Herr! Das darf nicht mit dir geschehen!“ Jesus aber wandte sich um und sagte zu Petrus: „Weg mit dir, Satan, geh mir aus den Augen! Du willst mich zu Fall bringen; denn du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen.“ (Mat. 16.23). Auch als Jesus seine Heimatstadt Nazareth besucht, wird er mit den menschlichen Entscheidungen und Zweiflern konfrontiert: „Und er konnte dort kein Wunder tun; nur einigen Kranken legte er die Hände auf und heilte sie. Und er wunderte sich über ihren Unglauben.” (Mk. 6.5.).

 

Von der Hinrichtung des Johannes des Täufers sagt Jesus: „Sie behandelten ihn nach Lust und Laune”. Wie? Nach menschlichen, unkontrollierten Emotionen. Man kann also feststellen: Nicht alle menschlichen Äußerungen passieren in Gottes Namen, auch nicht, wenn wir unsere Meinung über die Liebesflamme sagen. Die wahre Erkenntnis beinhaltet zugleich eine ernste Verantwortung.

 

Das Tagebuch der Liebesflamme drückt sich klar aus: „Dein ganzes Leben bestehe aus der Sehnsucht nach der Teilnahme an meinem Erlösungswerk” (I/60. – 3.-11. 5.1962).

 

Die Einladung geht von Jesus aus, die Annahme ist eine menschliche Fortsetzung seiner Gnade.

 

Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du all das den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen aber offenbart hast. Ja, Vater, so hat es dir gefallen.” (Mt.11.25) – sagt Jesus. Wir finden im Tagebuch sozusagen eine Fortsetzung: „Schließe diese neue Gnade in der Tiefe deines Herzens ein. Das ist ein besonderes Geschenk Gottes. Er ehrt dich, kleine Seele. Gibt es etwas Erhabeneres für dich als dies? Lerne von mir! Du bist klein und elend, darum habe ich dich erwählt.(I/63. – 3.-11.5.1962).